2.4 Der Bipolartransistor als elektronischer Schalter
2.4.1 Grundlagen
2.4.1.1 Aufgabe eines elektronischen Schalters
Ein elektronischer Schalter oder kontaktloser Schalter (contactless switch) hat die folgende Aufgabe zu erfüllen:
Ein elektronischer Schalter kann einen Verbraucher ohne Funkenbildung
und mit hoher Schaltfrequenz ein- oder ausschalten.
2.4.1.2 Grundschaltung
Beim Einsatz als elektronischer Schalter wird der Transistor in folgender Schaltung verwendet:
Beim Einsatz als elektronischer Schalter gilt folgender Grundsatz:
Beim Einsatz als Schalter benötigt der Transistor keine Arbeitspunkteinstellung.
Anmerkung: die im Bild 2-62 dargestellte Schaltung dient nur zur Funktionserklärung, in der Praxis ist die Schaltung nicht sehr gut für den Einsatz als elektronischer Schalter geeignet.
2.4.1.3 Schaltspannung
Als Schaltspannung US wird eine rechteckförmige Wechselspannung benutzt, die zwischen 0V und einem ausreichend hohen, positiven Wert schwankt (z.B. +5V).
2.4.1.4 Eigenschaften der Grundschaltung
Die Grundschaltung besteht aus folgenden Bauelementen:
Transistor
Widerstand RB
Widerstand RL
Der Transistor ist das eigentliche schaltende Bauelement.
Der Widerstand RB dient nur zur Begrenzung des Basisstromes und schützt den Transistor vor einer thermischen Zerstörung.
Der Widerstand RL stellt die Last dar, die ein- oder ausgeschaltet werden soll. Es muss sich dabei nicht um einen ohmschen Widerstand handeln, es können auch induktive oder kapazitive Blindwiderstände geschaltet werden, z.B. Lampen oder Motoren.
2.4.2 Transistor als „geöffneter Schalter“
2.4.2.1 Verhältnisse an einem geöffneten mechanischen Schalter
Betrachtet man einen geöffneten mechanischen Schalter, dann ergeben sich für die elektrischen Größen folgende Zustände:
IC = 0
URL = 0
UCE = UB
Wenn der Schalter geöffnet ist, dann stellt er einen sehr hochohmigen (ideal: unendlich hohen) Widerstand dar. Im Stromkreis kann daher kein Strom fließen (IC = 0). Dadurch fällt die gesamte Betriebsspannung UB am Schalter ab (UCE = UB), die Spannung URL an der Last ist gleich null.
2.4.2.2 Verhältnisse an einem geöffneten elektronischen Schalter
Sollen die gleichen Verhältnisse wie bei einem geöffneten mechanischen Schalter erzielt werden, dann muss der Transistor ebenfalls „hochohmig“ sein, d.h. es darf kein Kollektorstrom IC fließen. Dies wird dann erreicht, wenn der Basisstrom IB ebenfalls null ist. Dazu muss die Schaltspannung US = 0 sein. In diesem Fall ergeben sich folgende Zustände für die elektrischen Größen:
US = 0
IB = 0
IC = 0
URL = 0
UCE = UB
Wenn die Schaltspannung US = 0, dann fließt kein Basisstrom, der Kollektorstrom ist ebenfalls gleich
null und die gesamte Betriebsspannung fällt am Transistor ab, d.h. der Transistor ist hochohmig.
2.4.2.3 Darstellung im Vierquadrantenkennlinienfeld
Im Vierquadrantenkennlinienfeld wird der Zustand „offener Schalter“ folgendermaßen abgebildet:
Die Arbeitspunkte der Eingangskennlinie und der Stromsteuerungskennlinie fallen im Ursprung des Koordinatensystems zusammen, da UBE, IB und IC gleich null sind. Der Arbeitspunkt im Ausgangskennlinienfeld liegt beim Schnittpunkt der Widerstandsgerade von RL mit der Spannungsachse. Das bedeutet, dass die gesamte Spannung UB am Transistor abfällt während der Spannungsabfall an RL gleich null ist.
2.4.3 Transistor als „geschlossener Schalter“
2.4.3.1 Verhältnisse an einem geschlossenen mechanischen Schalter
Betrachtet man einen geschlossenen mechanischen Schalter, dann ergeben sich für die elektrischen Größen folgende Zustände:
UCE = 0
URL = UB
IC = UB/RL
Im geschlossenen Zustand ist der Schalter niederohmig (ideal = 0 Ohm) und es kann Strom im Stromkreis fließen. Am Schalter fällt keine Spannung ab (UCE = 0), die Spannung an der Last ist gleich der gesamten Betriebsspannung (URL = UB). Dadurch ergibt sich eine Stromstärke IC = UB/RL.
2.4.3.2 Verhältnisse an einem geschlossenen elektronischen Schalter
Damit der geschlossene elektronische Schalter die gleichen Verhältnisse wie ein mechanischer Schalter aufweist, muss der Transistor „niederohmig“ sein, d.h. die Spannung UCE ≈ 0. Dies ist dann der Fall, wenn ein Basisstrom IB > 0 fließt. Dies wird durch eine Schaltspannung US > 0 erzielt, die ausreichend hoch ist, z.B. +5V. Es ergeben sich daher folgende Zustände:
US > 0
IB > 0
UCE ≈ 0
URL ≈ UB
IC ≈ UB/RL
Das Verhalten des Transistors als geschlossener Schalter stellt sich daher folgendermaßen dar:
Wenn die Schaltspannung US > 0 ist, dann fließen ein Basisstrom und ein Kollektorstrom, die
Spannung UCE am Transistor ist nahezu null während nahezu die gesamte Betriebsspannung
an der Last abfällt, d.h. der Transistor ist niederohmig.
2.4.3.3 Darstellung im Vierquadrantenkennlinienfeld
Der Zustand „geschlossener Schalter“ stellt sich folgendermaßen dar:
2.4.3.4 Berechnung des Basisvorwiderstandes
Damit die im Punkt 2.4.3.2 beschriebenen Verhältnisse auch tatsächlich eintreten, muss die Schaltung richtig dimensioniert werden. In der Praxis bedeutet das, dass der Basisvorwiderstand RB niederohmig genug sein muss, damit ein ausreichend hoher Basisstrom fließen kann.
Im ersten Schritt wird zunächst der Kollektorstrom IC bestimmt. Dieser ergibt sich aus der Betriebsspannung UB und dem Lastwiderstand RL zu:
Im nächsten Schritt kann der Basisstrom IB berechnet werden. Aus der Formel für die Gleichstromverstärkung würde sich hier der Zusammenhang IB = IC/B ergeben. In diesem Fall könnten jedoch schon geringe Schwankungen von UB, RL oder B dazu führen, dass der Basisstrom zu gering ist und dadurch der Transistor nicht „voll durchschaltet“. Dies würde zu einem Anstieg der Kollektor-Emitter-Spannung UCE führen, die Verlustleistung würde ansteigen und der Transistor thermisch zerstört werden. Man wählt daher den Basisstrom etwas höher als erforderlich. Dies wird durch einen Übersteuerungsfaktor
ü = 2 … 3 berücksichtigt:
Im letzten Schritt wird der Basisvorwiderstand RB bestimmt. Dieser begrenzt den von der Spannungsquelle US gelieferten Basisstrom IB. Damit der Basisstrom den geforderten Wert IB = ü·IC/B erreicht, muss nach dem Ohmschen Gesetz der Widerstand RB den Wert
aufweisen. Für UBE kann näherungsweise ein Wert von 0,7V angenommen werden.
Der Basisvorwiderstand RB muss so gewählt werden, dass der Basisstrom IB so hoch ist, dass
ein Kollektorstrom IC fließen kann, bei dem laut Ohmschem Gesetz am Lastwiderstand die
gesamte Betriebsspannung UB abfällt.
In diesem Fall wirkt der Transistor wie ein geschlossener Schalter.
2.4.4 Vor- und Nachteile eines Transistors als elektronischer Schalter
2.4.4.1 Vorteile
Beim Einsatz eines Transistors als elektronischer Schalter ergeben sich folgende Vorteile:
Kein Verschleiß von Schaltkontakten, z.B. durch Kontaktabbrand (contact burn).
Präzise Festlegung des Schaltzeitpunkts.
Hohe Schaltfrequenzen (kHz bis MHz).
2.4.4.2 Nachteile
Ein Transistor weist als elektronischer Schalter folgende Nachteile auf:
Die Spannung UCE ist im geschlossenen Zustand nicht null.
Empfindlichkeit gegenüber Spannungsspitzen zwischen Kollektor und Emitter.
Das erste Problem, dass die Kollektor-Emitter-Spannung UCE im Zustand „geschlossener Schalter“ ungleich null ist, ist im Ausgangskennlinienfeld sichtbar:
Sobald ein Kollektorstrom IC ungleich null durch den Transistor fließt, tritt am Transistor eine
Kollektor-Emitter-Spannung UCE auf, die ebenfalls ungleich null ist.
Der Grund liegt im Sättigungsbereich des Transistors. Es handelt sich um jenen Bereich des Ausgangskennlinienfeldes, der nie erreicht werden kann, auch wenn der Basisstrom weiter erhöht wird.
Die Spannung, die bei einem bestimmten Kollektorstrom zwischen Kollektor und Emitter bestehen bleibt, wird als Kollektor-Emitter-Sättigungsspannung UCE,sat bezeichnet und weist Werte bis zu einigen Volt auf. Sie kann dem Datenblatt des Transistors entnommen werden und muss bei der Dimensionierung eines Kühlkörpers berücksichtigt werden, da im geschlossenen Zustand am Transistor grundsätzlich eine Verlustleistung
auftritt. Der größere Teil der Verlustleistung entfällt dabei auf den ersten Term (UCE,sat · IC).
Das zweite Problem tritt beim Abschalten von induktiven Lasten (z.B. Motoren) auf. Aufgrund der raschen Stromänderung beim Abschalten wird eine hohe Selbstinduktionsspannung induziert. Diese erhöht die Kollektor-Emitter-Spannung in Form einer Spannungsspitze. Um eine Beschädigung zu vermeiden, wird zur Last eine „Freilaufdiode“ parallel geschaltet.
Ist die hohe Spannung beim Abschalten einer Spule das erwünschte Ergebnis der Schaltung, z.B. bei einer Zündschaltung, dann muss ein Schalttransistor (switching transistor) verwendet werden, der die hohe Spannung ohne Beschädigung schalten kann. Schalttransistoren werden für Schaltspannungen zwischen Kollektor und Emitter bis zu einigen Kilovolt gefertigt.
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