18.2 Induktionsläufermotoren im Ein- und Mehrphasenbetrieb
18.2.1 Prinzipieller Aufbau von Induktionsläufermotoren
Der Induktionsläufermotor (induction motor) besteht aus zwei Hauptgruppen:
dem Stator (stator) und
dem Rotor (rotor).
Anmerkung: in älterer Literatur wird der Stator auch als „Ständer“ und der Rotor auch als „Läufer“ bezeichnet. Die Bezeichnung „Läufer“ ist auch heute noch in den Bezeichnungen „Induktionsläufermotor“, „Kurzschlussläufermotor“ und „Schleifringläufermotor“ enthalten.
18.2.2 Der Stator
18.2.2.1 Prinzipieller Aufbau
Der Stator eines Induktionsläufermotors besteht aus dem Gehäuse (case), dem Statorblechpaket (stator iron core) und der Statorwicklung (stator winding). Die Statorwicklung ist in die Nuten des Statorblechpakets eingelegt. Der Stator muss geblecht ausgeführt werden, um die Wirbelstromverluste durch die magnetischen Wechselfelder möglichst gering zu halten.
Der Stator besteht aus dem Gehäuse, dem Statorblechpaket und der Statorwicklung.
18.2.2.2 Stator für den Mehrphasenbetrieb
Im Mehrphasenbetrieb ist die Statorwicklung immer als Drehstromwicklung aufgebaut. Sie besitzt 3 Stränge, die im Normalbetrieb in Dreieckschaltung betrieben werden. Bei großen Motoren ist in der Anlaufphase eine Umschaltung in Sternschaltung möglich, um den Anlaufstrom zu reduzieren. Im Normalbetrieb wird wieder in Dreieckschaltung umgeschaltet. Dieses Verfahren wird als Stern-Dreieck-Anlauf (star-delta-startup) bezeichnet.
Im Mehrphasenbetrieb ist die Statorwicklung eine Drehstromwicklung in Dreieckschaltung.
18.2.2.3 Stator für den Einphasenbetrieb
Im Einphasenbetrieb kann die Statorwicklung ebenfalls eine Drehstromwicklung sein, beim Einphasen-Induktionsmotor wird sie durch 2 um 90° versetzte Wicklungen realisiert. Um das Drehfeld zu erzeugen müssen die Ströme durch die beiden Wicklungen phasenverschoben sein. Dies wird durch das Zuschalten von Kondensatoren erreicht.
Im Einphasenbetrieb ist die Statorwicklung entweder eine Drehstromwicklung oder besteht
aus zwei um 90° versetzten Wicklungen.
18.2.3 Der Rotor
18.2.3.1 Prinzipieller Aufbau
Der Rotor des Induktionsläufermotors besteht aus der Rotorwelle, dem Rotorblechpaket (rotor iron core) und der Rotorwicklung (rotor winding). In der Rotorwicklung werden während des Betriebs Spannungen induziert, wovon sich auch die Bezeichnung „Induktionsläufermotor“ ableitet.
In der Rotorwicklung werden im Betrieb Spannungen induziert, woraus sich die
Bezeichnung „Induktionsläufermotor“ ableitet.
Die Rotornuten sind wie bei der Gleichstrommaschine schräg gestellt, um auch bei niedrigen Drehzahlen einen runden Lauf des Rotors zu ermöglichen.
Der Rotor besteht aus der Rotorwelle, dem Rotorblechpaket und der Rotorwicklung.
18.2.3.2 Bauformen
Abhängig von der Bauform der Rotorwicklung können 2 Typen von Induktionsläufermotoren unterschieden werden:
Besteht die Wicklung aus Leiterstäben mit Kurzschlussringen, dann handelt sich um einen Kurzschlussläufermotor (squirrel-cage motor) und die Wicklung wird als Käfigwicklung (squirrel-cage winding) bezeichnet.
Besteht die Wicklung aus Drähten die auf Schleifringe geführt werden, dann wird der Motor als Schleifringläufermotor (slip-ring motor) bezeichnet.
Abhängig von der Bauform der Rotorwicklung werden der Kurzschlussläufermotor und der
Schleifringläufermotor unterschieden.
18.2.4 Funktion
18.2.4.1 Krafterzeugung in der Rotorwicklung
Die Funktionsweise des Induktionsläufermotors wird bereits durch die Namensgebung erklärt:
Durch das in der Statorwicklung erzeugte Drehfeld wird in der Rotorwicklung
eine Spannung induziert.
Der Grund für diese Spannungsinduktion ist die Drehbewegung des Magnetfeldes. Dadurch werden die Leiter der Rotorwicklung scheinbar durch ein Magnetfeld bewegt und eine Spannung induziert. Diese Spannung ruft nun einen Strom in den einzelnen Leitern der Rotorwicklung hervor, dessen Richtung nach der Rechten-Hand Regel bestimmt werden kann.
Sobald die Rotorwicklung stromdurchflossen ist, wirkt auf die einzelnen Leiter eine Kraft, deren Richtung nach der Linken-Hand Regel bestimmt werden kann.
Aus diesen Zusammenhängen leitet sich folgende Erkenntnis ab:
Die Rotorwicklung wird in Drehrichtung des Drehfeldes abgelenkt und damit der Rotor
in eine Drehung in Drehrichtung des Drehfeldes versetzt.
18.2.4.2 Bezeichnung „Asynchronmotor“
In der Praxis wird der Induktionsläufermotor auch als Asynchronmotor (asynchronous motor) bezeichnet. Diese Bezeichnung leitet sich aus dem allgemeinen Betriebsverhalten ab:
Der Rotor eines Induktionsläufermotors kann nie die Drehfelddrehzahl erreichen, er läuft
asynchron zum Drehfeld.
Dieses Verhalten kann mit der Differenzdrehzahl Δn zwischen Drehfelddrehzahl nd und Rotordrehzahl n erklärt werden:
Untersucht werden folgende Betriebszustände:
Einschaltzeitpunkt
„Hochlaufen“ des Motors
Gedachter Betrieb mit der Drehfelddrehzahl
Zum Einschaltzeitpunkt existiert zwar bereits das Drehfeld mit der Drehfelddrehzahl nd, der Rotor steht jedoch noch still und die Rotordrehzahl n = 0.
Dadurch ergibt sich die maximale Differenzdrehzahl und die „wirksame Geschwindigkeit v“ ist maximal. Damit wird in der Rotorwicklung nach der Formel für die Induktion der Bewegung
die maximale Spannung induziert und in der Wicklung fließt der maximale Strom.
Während des „Hochlaufens“ des Motors nimmt die Rotordrehzahl n kontinuierlich zu.
Dadurch sinkt die Differenzdrehzahl und mit ihr die „wirksame Geschwindigkeit v“. Es wird eine geringere Spannung induziert, die Folge ist eine sinkende Stromstärke in der Rotorwicklung.
Während des gedachten Betriebes mit der Drehfelddrehzahl ist die Rotordrehzahl n gleich der Drehfelddrehzahl nd.
Dadurch sind die Differenzdrehzahl und die „wirksame Geschwindigkeit v“ gleich null. In der Rotorwicklung wird keine Spannung induziert, damit kann auch kein Strom fließen.
Da auf einen stromlosen Leiter im Magnetfeld keine Kraft wirkt, lautet die Schlussfolgerung:
Die Rotordrehzahl muss immer geringer als die Drehfelddrehzahl sein.
18.2.4.3 Der Schlupf
Die Differenz zwischen Drehfelddrehzahl nd und Rotordrehzahl n wird auch als „Schlupfdrehzahl“ (asynchronous speed) bezeichnet. Bezieht man diese Schlupfdrehzahl auf die Drehfelddrehzahl nd, dann erhält man eine wichtige Kenngröße von Induktionsläufermotoren, den Schlupf s (slippage):
Der bei Nennlast auftretende Schlupf beträgt zwischen 3% und 8% und ist von der Baugröße des Motors abhängig. Der Schlupf nimmt mit zunehmender Belastung zu und kann auch 100% (= Stillstand) betragen.
18.2.5 Der Kurzschlussläufermotor
18.2.5.1 Aufbau
Eine häufig verwendete Bauform des Induktionsläufermotors ist der Kurzschlussläufermotor (squirrel-cage motor). Hier besteht die Rotorwicklung nicht aus Drähten sondern aus Leiterstäben. Diese werden bei kleineren Motoren aus Aluminium hergestellt, das im Druckgussverfahren in die Rotornuten eingepresst wird. Die Enden der Stäbe sind durch Kurzschlussringe verbunden (daher auch die Namensgebung). Bei größeren Maschinen ist auch eine hartgelötete Wicklung aus Kupfer möglich.
Ohne das Rotorblechpaket hat die Rotorwicklung die Form eines Käfigs, sie wird daher auch als Käfigwicklung (squirrel-cage winding) bezeichnet.
Die Rotorwicklung des Kurzschlussläufermotors hat die Form eines Käfigs, der aus Leiterstäben
und Kurzschlussringen besteht.
18.2.5.2 Funktion und Kennlinie
Da der Wirkwiderstand der Leiterstäbe sehr klein ist, wird im Einschaltmoment hauptsächlich die Induktivität der Rotorwicklung in Form eines induktiven Blindwiderstandes wirksam. Der Anzugsstrom kann daher den zehnfachen Wert des Nennstromes erreichen. Trotz des hohen Anzugstromes ist das Anzugsmoment MA gering, da hauptsächlich Blindleistung erzeugt wird, die aber nicht in mechanische Energie umgesetzt werden kann.
Im Einschaltmoment nimmt der Kurzschlussläufermotor den größten Strom (Anzugsstrom) auf,
trotzdem ist wegen des induktiven Blindwiderstandes der Rotorwicklung das Anzugsmoment
gering.
Mit steigender Rotordrehzahl werden die induzierte Spannung und der Strom in den Leiterstäben zwar kleiner, gleichzeitig verringert sich aber auch der induktive Blindwiderstand der Rotorwicklung und die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom wird kleiner. Dadurch wird mehr Wirkleistung erzeugt, die in mechanische Energie umgewandelt werden kann und das erzeugte Drehmoment nimmt zu. Das maximale Drehmoment wird als Kippmoment MK bezeichnet, welches bei einer Drehzahl von ca. 80% der Drehfelddrehzahl erreicht wird.
Beim Hochlaufen des Rotors wird der induktive Blindwiderstand der Rotorwicklung geringer,
dadurch wird mehr Wirkleistung und damit mehr Drehmoment erzeugt. Das maximale Dreh-
moment, das als Kippmoment bezeichnet wird, wird bei ca. 80% der Drehfelddrehzahl erreicht.
Nähert sich die Rotordrehzahl der Drehfelddrehzahl, dann nehmen Rotorspannung und Rotorstrom stark ab. Dadurch wird auch das Drehmoment kleiner. Da in diesem Bereich ein linearer Zusammenhang zwischen Drehmoment und Rotordrehzahl besteht, findet hier der Nennbetrieb statt. Es werden das Nennmoment MN und die Nenndrehzahl nN festgelegt. Aufgrund der steilen Kennlinie im Betriebsbereich bewirken Lastschwankungen nur geringe Drehzahlschwankungen, d.h. der Motor ist „drehzahlsteif“.
In der Nähe der Drehfelddrehzahl nimmt das Drehmoment linear ab, hier findet der Nennbetrieb
statt. Aufgrund der steilen Kennlinie ergibt sich ein „drehzahlsteifes“ Verhalten.
Die Drehzahl-Drehmoment-Kennlinie des Kurzschlussläufermotors sieht folgendermaßen aus:
Anmerkung: das kleinste Moment nach dem Anlauf heißt Sattelmoment MS. Es kommt durch Oberwellen im Ankerstrom zustande und kann durch unterschiedliche Nutzahlen in Stator und Rotor oder durch Schrägstellung der Leiterstäbe vermieden werden.
Anmerkung: die Kennlinie ist in der Nähe der Drehfelddrehzahl strichliert gezeichnet, da der Motor nd nie erreichen kann.
18.2.5.3 Anwendung
Kurzschlussläufermotoren werden mit Nennleistungen von 1W bis 2000kW gebaut. Sie sind wegen ihrer Robustheit (keine Schleifringe) die am häufigsten verwendeten Wechselstrommotoren. In Luftfahrzeugen werden sie als Stellmotoren in Servosystemen eingesetzt.
18.2.6 Der Schleifringläufermotor
18.2.6.1 Aufbau
Beim Schleifringläufermotor (slip-ring motor) besteht die Rotorwicklung aus Drähten, die auf Schleifringe geführt werden. Die Wicklung selbst besteht in den meisten Fällen aus drei Strängen, die in Sternschaltung verkettet sind und auf drei Schleifringe geführt werden. In der nachfolgenden Skizze sind die Stränge nur durch eine Leiterschleife dargestellt.
Beim Schleifringläufermotor besteht die Rotorwicklung aus drei Strängen, die in Sternschaltung
verkettet sind und auf drei Schleifringe geführt werden.
18.2.6.2 Funktion und Kennlinie
Das Betriebsverhalten eines Schleifringläufermotors unterscheidet sich aufgrund der Bauform von dem des Kurzschlussläufermotors. Da die Rotorwicklung nicht intern kurzgeschlossen, sondern über Schleifringe nach außen geführt ist, kann durch eine entsprechende Beschaltung mit Widerständen der Anzugsstrom verringert werden. Gleichzeitig steigt das Anzugsmoment, da der Wirkanteil des in der Rotorwicklung fließenden Stromes größer wird. Von Nachteil ist jedoch die in den Widerständen entstehende Verlustleistung. Ein weiterer Nachteil ist der flachere Verlauf der Kennlinie im Betriebsbereich des Motors. Dadurch ergeben sich bei Laständerungen größere Drehzahlschwankungen d.h. der Motor ist „drehzahlweich“.
Durch Anschluss von Widerständen an die Schleifringe wird der Anzugsstrom verringert und
gleichzeitig das Anzugsmoment erhöht. Nachteile sind die Verluste in den Widerständen und
die flachere Kennlinie des Motors, d.h. der Motor ist „drehzahlweich“.
Diese Nachteile können dadurch umgangen werden, dass die Widerstände nicht konstant, sondern stufig schaltbar sind. Je kleiner die Widerstände werden, umso mehr nähert sich das Verhalten des Schleifringläufermotors dem des Kurzschlussläufermotors an. Im Betrieb bei Nenndrehzahl werden die Schleifringe dann kurzgeschlossen und die Bürsten abgehoben (wegen des geringeren Verschleißes).
Durch die stufig schaltbaren Widerstände ergibt sich ein günstiges Anlaufverhalten des Motors (hohes Anzugsmoment bei geringem Anzugsstrom), im Nennbetrieb kann das drehzahlsteife Verhalten des Kurzschlussläufermotors genutzt werden.
Durch stufig schaltbare Widerstände wird das Verhalten des Schleifringläufermotors positiv
beeinflusst, es ergibt sich ein hohes Anzugsmoment, ein geringer Anzugsstrom und im Nennbetrieb
ein „drehzahlsteifes“ Verhalten. Im Nennbetrieb werden die Schleifringe kurzgeschlossen und die
Bürsten abgehoben.
18.2.6.3 Anwendung
Schleifringläufermotoren wurden früher häufig in Systemen mit Drehzahlregelung eingesetzt, heute haben sie wegen kostengünstiger Frequenzumrichter praktisch keine Bedeutung mehr, da die Drehzahlregelung nun auch auf anderem Weg realisierbar ist und der Nachteil der Schleifringe und Bürsten wegfällt.
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