6.3.5 Netzwerkberechnungen mit den Kirchhoffschen Gesetzen
6.3.5.1 Grundlagen
Damit in einem Netzwerk die unbekannten Größen berechnet werden können, müssen die Kirchhoffschen Gesetze und das Ohmsche Gesetz gemeinsam angewendet werden. Damit das entstehende Gleichungssystem lösbar ist, muss folgende Forderung erfüllt werden:
Die Anzahl der Unbekannten darf maximal gleich der Anzahl der Gleichungen sein.
Weiters hat sich folgende Reihenfolge bei der Bestimmung des Gleichungssystems bewährt:
Umlaufsinn in den Maschen festlegen
Festlegung der Spannungsabfälle an den Widerständen nach dem Verbraucherzählpfeilsystem
Maschengleichungen erstellen
Knotengleichungen erstellen
Ohmsches Gesetz auf die Maschengleichungen anwenden
Als Grundlage für die Erklärung der Lösungsfindung wird folgendes Netzwerk verwendet:
6.3.5.2 Festlegung des Umlaufsinns
Im ersten Schritt wird für die zwei Maschen A und B der Umlaufsinn festgelegt. Es ist in beliebiger Kombination eine Festlegung im oder gegen den Uhrzeigersinn möglich, d.h. es kann für beide Maschen der Umlaufsinn im oder gegen den Uhrzeigersinn festgelegt werden, es kann aber auch für eine der beiden Maschen ein Umlaufsinn im Uhrzeigersinn und für die zweite Masche der Umlaufsinn entgegen dem Uhrzeigersinn gewählt werden.
Um in der Praxis die Fehlermöglichkeiten zu reduzieren ist es jedoch günstig, sich für ein System zu entscheiden, z.B. für alle Maschen wird der Umlaufsinn im Uhrzeigersinn festgelegt.
Der Umlaufsinn in den Maschen ist prinzipiell frei wählbar, es sollte innerhalb eines Netzwerkes
aus praktischen Gründen nur ein Umlaufsinn verwendet werden.
6.3.5.3 Festlegung der Spannungsabfälle an den Widerständen
Danach legt man die Spannungsabfälle an den einzelnen Widerständen fest.
Hier gibt es zwei Möglichkeiten:
Die Stromzählpfeile sind bereits eingezeichnet.
Die Stromzählpfeile sind nicht eingezeichnet.
Im ersten Fall (siehe Bild 6-22) ist die Richtung der Spannungszählpfeile gemäß dem Verbraucherzählpfeilsystem festzulegen, d.h. die Spannungszählpfeile sind in der gleichen Richtung wie die Stromzählpfeile orientiert.
Im zweiten Fall sind zuerst die Stromzählpfeile einzuzeichnen. Es ist für jeden Zweig ein eigener Zählpfeil erforderlich, ihre Richtung wird nach dem Erzeugerzählpfeilsystem festgelegt, wobei die Richtung der Spannungszählpfeile der Spannungsquellen als Basis dient. Befindet sich in einem Zweig keine Spannungsquelle, dann ist die Richtung des Stromzählpfeiles in diesem Zweig frei wählbar. Die Spannungszählpfeile an den Widerständen werden dann wieder nach dem Verbraucherzählpfeilsystem festgelegt.
Die Richtung der Spannungszählpfeile der Spannungsabfälle ist nach dem
Verbraucherzählpfeilsystem festzulegen.
6.3.5.4 Erstellung der Maschen- und Knotengleichungen
Im ersten Schritt werden die Maschengleichungen des Netzwerkes bestimmt. Das Netzwerk im Bild 6-22 enthält zwei unabhängige Maschen (A und B). Man erhält daher auch zwei Maschengleichungen, die mit A und B bezeichnet werden. Um Fehlermöglichkeiten bei der Erstellung zu reduzieren, wird folgender Ablauf gewählt:
Ausgangspunkt in der Masche festlegen und markieren
Im Umlaufsinn die Masche durchlaufen
Alle Spannungen im Umlaufsinn positiv werten
Alle Spannungen entgegen dem Umlaufsinn negativ werten
Bei Wiederereichen des Ausgangspunkt ist die linke Seite der Gleichung fertig abgeschlossen
Gleichung mit „=0“ abschließen
Der Ablauf wird anhand der Masche A vorgeführt:
Die erste Spannung ist der Spannungsabfall UR1, er ist im Umlaufsinn orientiert -> „+“
Die zweite Spannung ist der Spannungsabfall UR3, er ist im Umlaufsinn orientiert -> „+“
Die dritte Spannung ist die Spannungsquelle U1, sie ist entgegen dem Umlaufsinn orientiert -> „-“
Damit ergibt sich folgende Maschengleichung A:
A) +UR1+UR3-U1 = 0
Nach dem gleichen Schema ergibt sich für die Maschengleichung B:
B) +U2-UR3-UR2 = 0
Anmerkung: das Netzwerk im Bild 6-22 enthält eigentlich noch eine Masche („außen um das Netzwerk herum“), die jedoch nicht unabhängig von den anderen Maschen ist. Sie ist daher für die Erstellung des Gleichungssystems nicht von Bedeutung, da sie keine weitere Information liefert.
Im zweiten Schritt werden die Knotengleichungen des Netzwerkes bestimmt. Da das Netzwerk im Bild 6-22 nur einen unabhängigen Knoten enthält, ergibt sich auch nur eine Knotengleichung, die mit C bezeichnet wird. Diese wird nach den Regeln des Knotensatzes bestimmt:
C) I1+I2 = I3
Anmerkung: eigentlich enthält das Netzwerk noch einen zweiten Knoten, dieser liefert jedoch keine weitere Information, da die gleichen Ströme wie beim ersten Knoten beteiligt sind. Es handelt sich daher keinen unabhängigen Knoten.
Damit ergibt sich zusammengefasst folgendes Gleichungssystem:
6.3.5.5 Anwendung des Ohmschen Gesetzes
Im Allgemeinen liefert das zuvor aufgestellte Gleichungssystem zu viele Unbekannte, da die Spannungsabfälle nicht bekannt sind. In der Praxis sind meist die einzelnen Widerstände bekannt, durch die Anwendung des Ohmschen Gesetzes kann daher die Zahl der Unbekannten reduziert werden. Es ergibt sich folgendes Gleichungssystem:
6.3.5.6 Lösung des Gleichungssystems
Für die Lösung des Gleichungssystems gibt es keinen einheitlichen Lösungsansatz. Sind die Unbekannten so innerhalb des Gleichungssystems verteilt, dass in einer Gleichung nur eine Unbekannte enthalten ist, dann ist die Lösung relativ einfach.
Sind in jeder Gleichung mindestens zwei Unbekannte enthalten (dieser Fall tritt z.B. auf, wenn alle drei Ströme unbekannt sind), dann muss zunächst das „Einsetzungsverfahren“ angewendet werden, um die Anzahl der Gleichungen und Unbekannten zu reduzieren. Im nächsten Schritt kann dann z.B. mit dem „Gleichsetzungsverfahren“ die erste Unbekannte bestimmt werden usw.
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