10.12 Wirbelstrom
10.12.1 Ursache für das Auftreten von Wirbelströmen
Wirbelströme (eddy current) entstehen in leitfähigen Materialien, wenn sie einem zeitlich veränderlichen Magnetfeld ausgesetzt werden. Dabei ist es völlig unerheblich, ob das Magnetfeld seine Stärke tatsächlich zeitlich ändert, oder ob die zeitliche Veränderung durch die Bewegung des leitfähigen Körpers zustande kommt.
Weiters muss im Gegensatz zu anderen Phänomenen im Magnetfeld das Material nicht ferromagnetisch sein. Für das Entstehen der Wirbelströme reicht die Leitfähigkeit des Materials aus, d.h. auch in Kupfer können Wirbelströme entstehen, obwohl es nicht ferromagnetisch ist.
Wirbelströme entstehen in einem leitfähigen Körper durch ein zeitlich veränderliches Magnetfeld.
Anmerkung: die Bezeichnung „Wirbelstrom“ wurde deshalb gewählt, da diese Ströme keine bestimmte Richtung aufweisen und die Ladungsträger scheinbar im Kreis fließen, d.h. einen „Stromwirbel“ bilden.
10.12.2 Wirbelströme in einem bewegten, leitfähigen Körper
10.12.2.1 Versuchsaufbau
Es wird folgender Versuch durchgeführt: eine Aluminiumplatte wird an einem Pendelstab beweglich aufgehängt und durch ein zeitlich konstantes Magnetfeld bewegt.
10.12.2.2 Ergebnis des Versuchs, Anwendung in der Praxis
Als Ergebnis des Versuchs kann folgendes beobachtet werden:
Das Pendel wird stark abgebremst und bleibt im Magnetfeld scheinbar „stecken“.
Die Ursache für dieses Ergebnis liegt in folgender Eigenschaft von leitfähigen Körpern begründet: durch die Bewegung ändert sich das Magnetfeld in der Aluminiumplatte zeitlich. Diese zeitliche Änderung des Magnetfeldes induziert in der Aluminiumplatte eine Spannung (siehe auch „11 Induktivität / Spulen“). Aufgrund dieser Spannung werden die Ladungsträger in der Aluminiumplatte abgelenkt. Die Bewegungsrichtung der Ladungsträger lässt sich mit Hilfe der „Rechten Hand-Regel“ festlegen. Da sich die Ladungsträger aber in einem Magnetfeld bewegen, wirkt auf sie eine Ablenkkraft, deren Richtung mit Hilfe der „Linken Hand-Regel“ festgelegt werden kann. Diese Kraft ist entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung der Aluminiumplatte gerichtet und bremst deren Bewegung.
Zur Anwendung kommt der Effekt bei so genannten Wirbelstrombremsen in Kraftfahrzeugen und bei der Wirbelstromdämpfung in Messinstrumenten.
Durch die Bewegung im Magnetfeld werden in einem leitfähigen Körper Wirbelströme erzeugt.
Diese Wirbelströme sind so orientiert, dass sie die Bewegung des Körpers bremsen.
Anmerkung: eine Bremsung der Bewegung erfolgt nur dann, wenn die Wirbelströme ungehindert fließen können. Ist dies nicht mehr gewährleistet, z.B. durch Schlitze in der Aluminiumplatte, dann tritt auch keine Bremswirkung auf.
10.12.3 Wirbelströme in einem ruhenden, leitfähigen Körper
10.12.3.1 Versuchsaufbau
Zur Erklärung wird ein zweiter Versuch durchgeführt: eine Spule wird von einem Wechselstrom durchflossen, der Spulenkern besteht aus massivem Eisen. Durch den Wechselstrom entsteht ein zeitlich veränderliches Magnetfeld.
10.12.3.2 Ergebnis des Versuchs, Anwendung in der Praxis
Als Ergebnis kann folgendes beobachtet werden:
Nach kurzer Zeit erwärmt sich der Eisenkern ziemlich stark.
Die Ursache für die Erwärmung des Eisenkerns ist das zeitlich veränderliche Magnetfeld. Da sich die Stromstärke I im Leiter zeitlich ändert, ändert auch der Fluss Φ des Magnetfeldes seine Stärke. Dadurch wird im Eisenkern (allgemein: im leitfähigen Körper) eine Spannung induziert, diese bewirkt eine Ablenkung der freien Ladungsträger und ein Wirbelstrom entsteht. Abhängig vom Ohmschen Widerstand des leitfähigen Körpers kann dieser Wirbelstrom sehr hoch sein und es kommt zu einer starken Erwärmung.
Zur Anwendung kommt der Effekt in sogenannten Induktionsöfen.
Durch das zeitlich veränderliche Magnetfeld entstehen im leitfähigen Körper Wirbelströme,
die den Körper sehr stark erhitzen können.
Anmerkung: bei anderen Anwendungen ist der Effekt allerdings unerwünscht.
In der Energietechnik (elektrische Maschinen, Transformatoren) werden daher Spulenkerne aus dünnen, isolierten Blechen hergestellt. Dadurch wird eine Reduktion der Wirbelströme erzielt. Es ist auch die Legierung mit Silizium zur Erhöhung des Ohmschen Widerstandes des Spulenkerns möglich. Eine genaue Beschreibung der Reduktion der Wirbelstromverluste erfolgt im Kapitel „15 Transformatoren“.
In der Hochfrequenztechnik (Themenlink zum Thema HF-Messtechnik) verwendet man so genannte Massekerne (feines Eisenpulver in Isolatormaterial gebettet) oder Ferritkerne (gesintertes Eisenoxidpulver), deren Ohmscher Widerstand so groß ist, dass sich keine oder nur sehr geringe Wirbelströme bilden können.
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